Kaum an einem Ort auf der Erde ist die Erwärmung so deutlich messbar wie in Europa. Gerade in den Alpen, sowie in großen Teilen Osteuropas und der Arktis wurden in den vergangenen Jahrzehnten die größten Temperaturanstiege verzeichnet. Auch Deutschland hat sich bisher überproportional stark erwärmt.
Weit über zwei Grad wärmer als noch vor 50 Jahren
Verfolgt man hin und wieder die aktuellen Nachrichten zur Klimaerwärmung, begegnet man häufig dem 1,5 Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens von 2015. Hier soll die globale Erwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit, womit hier konkret der Zeitraum zwischen 1850 und 1900 gemeint ist, bis zum Jahr 2100 auf 1,5 Grad begrenzt werden. Als realistischeres, weiteres Klimaziel werden manchmal auch zwei Grad angegeben.
Schaut man sich dann allerdings die Abweichungen der Monats- oder Jahresmitteltemperaturen für Deutschland an, so ist es bereits heute eher Regel als Ausnahme, dass diese jenseits der zwei Grad landen. Konkret sind die vergangenen 48 Monate in Deutschland 2,5 Grad wärmer ausgefallen als im Zeitraum zwischen 1961 bis 1990. Im vorindustriellen Zeitalter Ende des 19. Jahrhunderts war es zudem selbst im Vergleich zu diesem Mittel ein wenig kälter, sodass Deutschland das Pariser Klimaziel bereits heute um das Doppelte überschritten hätte, wäre es nicht global gültig. Genau das ist nämlich der große Unterschied: Bei uns ist die Klimaerwärmung deutlich schneller als im Rest der Welt.
Nähe zur Arktis
Der wohl entscheidendste Grund für die übermäßig schnelle Erwärmung Europas und auch Deutschlands ist die Nähe zur Arktis. Hier liegt der eigentliche Hotspot des Klimawandels, denn durch den Rückgang des Meereises verschwinden große weiße Flächen, die die Sonnenstrahlung ins All reflektieren und für Kühlung sorgen. Stattdessen absorbiert das nun freiliegende Meereis einen Großteil dieser Strahlung und wandelt es in Wärme um. Die Folge: Die Erwärmung wird an dieser Stelle zusätzlich zum steigenden CO2 angetrieben. Durch die relativ geringe Entfernung zur Arktis wirkt sich der Effekt auch auf Mitteleuropa aus. In der Antarktis funktioniert dies übrigens nicht, da hier das Eis teils kilometerdick auf einer Landmasse liegt und somit keine Meeresoberfläche freigelegt wird.
Unterschätzter Faktor: Sinkende Luftverschmutzung
Ein weiteres, relativ unbekanntes Phänomen für die schnelle Erwärmung Europas ist die stark gesunkene Luftverschmutzung in den letzten Jahrzehnten. Diese sorgte durch Feinstaub- und Schwefeldioxidemissionen für eine lokale Abkühlung, da ein Teil Sonnenstrahlung nicht bis zum Boden durchgelassen wurde. Gerade im Herbst und Winter konnte es dadurch bei ruhigen Wetterbedingungen häufiger und stärker auskühlen als heute. Seit Anfang der 1990er-Jahre ist die Schadstoffbelastung in unserer Luft stark zurückgegangen, wodurch auch die Temperaturen ein wenig angestiegen sind. Einige Experten sprechen sogar von einem Anstieg der Mitteltemperatur von bis zu 0,8 Grad in 30 Jahren allein aufgrund der besseren Luftqualität. Dennoch sollte es ein Grund zur Freude sein, dass die Luft nun sauberer ist, da eine schlechte Luftqualität starke negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier hat.
Häufung von wärmebringenden Wetterlagen
Dies ist ein bisher noch weitgehend unerforschtes Phänomen, welches allerdings in vielen Regionen der Welt und auch in Deutschland in den letzten Jahrzehnten festgestellt wurde. So sind gerade blockierende Hochdrucklagen in letzter Zeit gehäuft aufgetreten. Diese sorgen gerade im Sommerhalbjahr für langanhaltende Hitzeperioden und große Dürren. Im Winterhalbjahr treten zudem auch milde Südwestwinde gehäuft auf, wodurch sich kaum große Kälte behaupten kann. Die Ursache für diese Häufung ist noch nicht geklärt, allerdings wird ein Zusammenhang mit dem sich verändernden Golfstrom und damit auch mit dem Klimawandel vermutet.
Abschließend lässt sich sagen, dass es nicht den einen Auslöser dieser übermäßig starken Erwärmung Europas gibt, sondern mehrere, die sich gegenseitig verstärken. Dies sollte jedoch verdeutlichen, dass wir damit rechnen müssen, dass sich dieser Trend weiter fortsetzt und wir in Zukunft in Deutschland mit viel größeren Temperaturanstiegen als im globalen Mittel rechnen müssen.