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Kaltluftsack kontra Warmluftberg
Untere und obere Luftschichten über unserem Raum sind sich aktuell nicht einig. Dies gilt besonders für den Westen des Landes. In tieferen Luftschichten dominiert feuchte Polarluft, in höheren Schichten subtropische wärmere Luft.In den tieferen Luftschichten hat sich kühle Luft aus polaren Breiten bei uns breitgemacht. Sie ist durch ihren langen Weg über den Atlantik mit Feuchtigkeit angereichert und bildet über Mitteleuropa eine Art Kaltluftsack, wirft man einen Blick auf die Temperaturverteilung in der 850-hPa-Fläche. Genau über Mitteleuropa ist die kühle Meeresluft am weitesten nach Süden vorgedrungen. Dadurch ist hier der Luftdruck relativ niedrig.
Ganz anders ist die Situation in höheren Luftschichten. Dort ist es vor allem im Westen und Süden des Landes verhältnismäßig warm. Eine Art Warmluftberg schiebt sich von Westen in Richtung Mitteleuropa. Dies wird von hohem Luftdruck in den oberen Höhen begleitet. Das könnte uns egal sein, hätte es nicht drastische Konsequenzen. Es gibt mehrere Phänomene, die damit verbunden sind.
Unerfreulich ist besonders das Verhalten der Wolken. Sie quellen in der kühlen Luft nach oben, doch schon bald stoßen sie an eine unsichtbare Grenze. Da sie nicht nach oben wachsen können, breiten sie sich an dieser Grenze aus und verdecken die Sonne oft über viele Stunden hinweg. Je nach Mächtigkeit der Wolken und den Temperaturverhältnissen an der Obergrenze der Wolken können sich dennoch kurze Schauer entwickeln oder es gibt etwas Regen oder Sprühregen. Kühle Luft und niedriger Luftdruck zeigen ihre Wirkung, aber in stark gedämpfter Version.
Bei der Frage nach dem Warum sind wir schon beim zweiten Charakteristikum dieser Wetterlage. Zwischen der kühlen Luft unten und der warmen Luft oben muss es eine Art Übergang mit Versatz geben. Dabei handelt es sich um einen Temperaturanstieg mit zunehmender Höhe, dem Gegenteil des sonst üblichen Verhaltens der Luft mit der Höhe. Entlang dieser Temperaturinversion breiten sich die Wolken aus, da aufsteigende Luft abkühlt und kältere Luft gegenüber der wärmeren Luft schwerer ist und wieder zurück sinkt.
Genau genommen liegt eine Absinkinversion vor, die bei rund 2.500 Metern zu finden ist. In dieser Höhe machen sich die Wolken breit, denn die Temperaturen steigen um rund 4 Grad und wirken wie ein Deckel für Vertikalprozesse. Bis zur 500 hPa-Druckfläche stoßen wir beim Blick auf das Höhenprofil von Temperatur und Feuchte mittels eines Sondenaufstiegs noch auf zwei weitere kleine Inversionen, bei denen die Temperaturen um 2 bis 3 Grad steigen. Alles in allem macht dies in Höhen oberhalb von 5500 Metern 9 Grad höhere Temperaturen als bei normalem Verlauf zu erwarten wären oder anders herum: Die Temperaturen am Boden könnten um 9 Grad höher liegen, würde sich die wärmere und trockenere Luft in der Höhe bis ganz nach unten durchsetzen. Dann stünden aktuell in Deutschland bis 27 Grad statt bis 18 Grad zu Buche und damit wäre die Luft eindeutig frühsommerlich warm.
Zur Charakterisierung der Luft und ihrer Herkunft gibt die Höhe der Tropopause Auskunft. Dort macht die Temperaturkurve einen Knick, der stetige Temperaturrückgang wird dort durch gleichbleibende Werte, eine so genannte Isothermie ersetzt. Je höher diese Tropopause zu finden ist, desto südlicher ist der Ursprung der Luft. Und tatsächlich: die aktuelle Höhe der Tropopause befindet sich im Westen bei rund 11.900 Metern, einem Wert, dem eine subtropische Herkunft bescheinigt werden kann. Damit stehen diese Lufteigenschaften in diametralem Gegensatz zu der Luft in der unteren Troposphäre unterhalb von 2.500 Metern, die subpolaren Ursprungs ist.
Die typisch mitteleuropäische Witterung beinhaltet ein ständiges Hin und Her zwischen Kaltluftsack und Warmluftberg. Mal gewinnt kühle Luft bis in größere Höhen die Oberhand und verursacht teils kräftige Schauer und Gewitter. Das ist mit höhenkalter Luft und einem Trog oder gar Höhentief verbunden. Andernfalls dominiert der Warmluftberg in der Höhe und setzt sich bis zum Boden durch. Dabei steigt der Luftdruck anfangs vorübergehend und die Temperaturen folgen diesem Trend. Ein Schwung warmer Luft sorgt dann für einen Hauch von Sommer. Aber auch Zwischenlösungen sind vorstellbar