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Rekordverdächtiger Schneefall und Klimaerwärmung: Ein Gegensatz?

Der Wintereinbruch am vergangenen Wochenende mit starken Schneefällen wurde medial bereits umfangreich thematisiert, insbesondere die Auswirkungen auf die Infrastruktur und der Stillstand in Süddeutschland sowohl auf der Straße, an Flughäfen und insbesondere beim Bahnverkehr. Ob diese Einschränkungen den Wetterbedingungen gerechtfertigt waren, wurde und wird an anderer Stelle mit entsprechender Expertise diskutiert. In diesem Text geht es darum, das rekordverdächtige Schneeereignis in Zeiten der Klimaerwärmung einzuordnen und den augenscheinlichen Wiederspruch aufzuklären.

Der Blick in die Wetteraufzeichnungen verrät: Das war kein üblicher Wintereinbruch. Nachweislich sind in München noch nie solche Schneemengen am Stück vom Himmel niedergegangen. Auch sonst handelte es sich in Süddeutschland und im Alpenraum um außergewöhnliche Schneemengen. Aber wie kann es rekordverdächtig viel Schneefall geben, in Zeiten der Klimaerwärmung? Sollte es dadurch nicht weniger Schnee geben?

Überraschenderweise kann sogar das Gegenteil der Fall sein, besonders bei einzelnen Wetterereignissen wie am vergangenen Wochenende.

Kommen wir zur Klimaerwärmung. Wie der Name schon sagt, geht es dabei um einen Temperaturanstieg. Es wird wärmer, was auch bei uns in Deutschland seit Jahrzehnten immer deutlicher in den Temperaturmessungen sichtbar wird. Auch im Winter wurde und wird es bei uns milder. Das geht logischerweise und nachweislich mit seltenerem Schneefall einher, da nun der Niederschlag immer häufiger als Regen vom Himmel kommt. Als Beispiel dazu kann man einen Blick in "Weiße Weihnachten-Statistiken" werfen, wo auffällt, dass weiße Weihnachten im Vergleich zu früher immer seltener werden.

Wichtig: Obwohl es milder wird, seltener und weniger Schnee fällt, schließt das nicht einzelne, sehr starke Schneefälle aus. Zumal lag das Winterchaos in Süddeutschland am Wochenende nicht an besonders kalten Temperaturen, sondern in den hohen Schneemengen begründet, die großflächig in einem schmalen Temperaturbereich gefallen sind, um oder knapp über 0 Grad. Der Schnee war dadurch nass und schwer, und haftete an jeglicher Oberfläche. Darin liegen die großen Einschränkungen im Verkehrswesen begründet, da viele Bäume, Oberleitungen etc. der Schneelast nicht standhalten konnten und Wege blockierten oder ausgefallen sind. Das ist eine besondere und seltene Wetterlage (ein vergleichbares Ereignis war zum Beispiel der Schneefall im Münsterland, November 2005) und hat nur wenig mit einem „üblichen" Wintereinbruch gemein. Wäre es kälter gewesen, hätte der Schnee weniger an Oberflächen gehaftet, er wäre „trockener" und pulvriger Natur. Bei leicht milderen Temperaturen wäre wiederum alles als Regen oder Schneeregen niedergegangen.

Trotzdem, früher war es kälter und es gab häufiger Schnee. Müsste es vor der Klimaerwärmung solche Ereignisse nicht auch schon, wenn nicht sogar öfter gegeben haben? Wieso sind die Schneemengen jetzt rekordverdächtig?

Der Grund, warum jetzt rekordverdächtige Mengen an Schnee gefallen sind, kann mit den höheren Temperaturen in Europa und im Mittelmeer zusammenhängen. Denn: Luftmassen mit höheren Temperaturen können mehr Feuchtigkeit aufnehmen. Wird diese Feuchte z.B. durch Tiefdruckgebiete mobilisiert, resultiert das in mehr oder stärkerem Niederschlag in Form von Regen, oder in diesem Fall, Schnee. Durch die Klimaerwärmung haben wir nun immer häufiger überdurchschnittliche Temperaturen im Mittelmeer, sodass dort mehr Feuchtigkeit von Tiefdruckgebieten aufgenommen werden kann. Und genau das ist am vergangenen Wochenende passiert: Der Schnee kam von einem Tief über Norditalien bei einer sogenannten Vb Wetterlage, die in den Sommermonaten bei uns für Hochwasserereignisse in Süddeutschland sorgen kann. Das Tief gewann viel Feuchte über dem nördlichen Mittelmeer und zog damit weiter in Richtung Ostalpen. Dabei bewegte es die Niederschlagsgebiete auf die Nordseite der Alpen, traf dort in Süddeutschland auf zuvor eingeflossene, polare Kaltluft – resultierend in starkem und anhaltendem Schneefall.

In Zukunft kann uns sowas erneut, möglicherweise auch stärker, drohen. Beispiel hierfür ist wieder die Mittelmeerregion. Diese ist nicht gerade für viel Schnee und kalte Winter bekannt – im Gegenteil. Trotzdem kann es auch hier, selbst an den Küsten, in seltenen Fällen zu Schneefall kommen. Beispiel ist hier zum Beispiel der Wintereinbruch in Madrid und Athen im Jahr 2021, oder in Rom 2018. Am Mittelmeer und im tieferen Hinterland schneit es fast nie, aber wenn, dann in sehr starken Mengen in kurzer Zeit aufgrund des hohen Feuchteangebots durch das Mittelmeer. Und so könnten sich durch die weitere Klimaerwärmung auch die Winter bei uns in Deutschland in diese Richtung bewegen, so wie es aktuell in wärmeren Regionen südlich von uns aussieht. Schnee gibt es zwar seltener und insgesamt weniger, aber falls es schneit, dann in starken Mengen. Trotzdem lässt sich das aktuelle Klima im Mittelmeerraum nicht 1:1 auf ein mögliches Klimaszenario in Deutschland abbilden, Tendenzen sind aber sichtbar.

Zusammenfassend kann man sagen: Klimaerwärmung beschreibt einen Temperaturanstieg. Grundlegend gilt dabei: Höhere Temperaturen ermöglichen mehr Feuchtigkeit in der Luft – Falls diese Mobilisiert wird, kann es stärkere Niederschläge, und bei bestimmten Wetterlagen im Winter stärkeren Schneefall geben, so wie am vergangenen Wochenende in Süddeutschland und im Alpenraum.