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Der angebliche Jahrhundertwinter – was wirklich dran ist

Seit einigen Tagen geistert wieder die Warnung vor einem „Jahrhundertwinter" durch soziale Medien, Nachrichtenseiten und YouTube-Kanäle. Mal ist vom „Schockfrost" die Rede, mal von einem „Kälterekord seit 100 Jahren". Klingt dramatisch – ist aber vor allem eines: äußerst spekulativ.

Warum solche Schlagzeilen so gut klicken – und so wenig taugen

„Jahrhundertwinter"-Stories leben oft von Einzelfaktoren wie einem schwächelnden Polarwirbel oder dem Pazifikphänomen La Niña. Beides kann Kältephasen in Europa begünstigen. Aber aus solchen Zutaten lässt sich keine belastbare Prognose für Deutschland basteln. Seriöse Institute wie das Europäische Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF) oder der Deutsche Wetterdienst (DWD) betonen, dass saisonale Ausblicke nur Wahrscheinlichkeiten liefern – keine konkreten Wetterkarten.

Was die Modelle wirklich zeigen

Langfristläufe (etwa ECMWF, NOAA/CFS) deuten derzeit kein klares Signal für einen außergewöhnlich kalten Winter an. Zwar kann eine anhaltende La Niña zu geänderten Strömungsmustern führen, doch das garantiert keinen Dauerfrost. Auch beim DWD klingt es nüchtern: Die Vorhersagen sind Tendenzen – keine Gewissheiten.

Wetter ≠ Klima: Die 5-Tage-Grenze

Meteorolog*innen können das Wetter zuverlässig etwa bis zu fünf Tage im Voraus vorhersagen. Danach nimmt die Genauigkeit rapide ab. Deshalb spricht der DWD bei allem, was über zehn Tage hinausgeht, bewusst nur von Trends.
Kurz gesagt: Konkretes Wetter, das über 5 Tage hinausgeht, ist nicht gut vorherzusagen.

Polarwirbel, Schlagzeilen und Realität

Ein schwacher Polarwirbel oder plötzliche Stratosphärenerwärmungen (SSW) können Kältewellen begünstigen. Aber ob, wann und wie stark – das zeigt sich oft erst Wochen oder gar Tage vorher. Medien, die schon im Oktober oder November den „Jahrhundertwinter" ausrufen, bedienen eher Klickzahlen als wissenschaftliche Sorgfalt.

Was wir erwarten können

Saisonale Modelle geben grobe Tendenzen, keine Details.

Für Planungen zählen die aktuellen 3- bis 5-Tage-Prognosen.

Auch in milden Wintern kann es kurze Extremkälte-Phasen geben – das ist normal.

Fazit

Der „Jahrhundertwinter" ist bislang mehr Erzählung als Evidenz. Aktuell gibt es kein konsistentes Modell-Signal für einen außergewöhnlich kalten Winter in Deutschland. Möglich sind einzelne Kälteeinbrüche – wie fast jeden Winter. Bleibt also dabei: Wetter über 5 Tage hinaus kann man nicht zuverlässig vorhersagen.

Quellen:
Deutscher Wetterdienst (DWD) • Europäisches Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF) • NOAA Climate Prediction Center • aktuelle Berichterstattung: Tagesschau, WetterOnline, Spiegel Wissenschaft (Oktober 2025)